Reformationsjubiläum 2017

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    Es war keine Liebeshochzeit

    Im Herzogtum Nassau vereinigten sich erstmals Lutheraner und Reformierte

    EKHN/RahnUnionskirche Idstein 2017Unionskirche Idstein 2017

    Protestantische Kirchen sind beide, aber theologisch unterscheiden sich Reformierte und Lutheraner. Die Nassauische Union vor 200 Jahren war darum etwas Besonderes. Für das strittige Abendmahl wurde eigens ein „Unionsbrot” erfunden.

     

    Von Nils Sandrisser

     

     

     

     

    Angeblich war der persönliche Wunsch des Herzogs ausschlaggebend. Wilhelm I. von Nassau, der dem reformierten Bekenntnis in der Tradition von Calvin und Zwingli anhängt, will gemeinsam mit seiner lutherischen Frau Luise das Abendmahl feiern. Im Jahr 1817 ist das undenkbar: Es gibt mehrere protestantische Kirchen, die theologisch uneins sind.

     

    Wilhelm will das ändern. Neben dem gemeinsamen Abendmahl mit der Gattin hat er auch einen ganz handfesten Beweggrund: Nach den Wirren der napoleonischen Zeit muss er seine Herrschaft in Nassau festigen. Er will das Land vereinheitlichen - und praktischerweise die Kirchen gleich mit. Im Falle der Katholiken ist das zwar von vornherein aussichtslos, aber nicht bei den verschiedenen Richtungen der Protestanten.

     

     

    Flickenteppich Nassau

     

    Im 18. Jahrhundert hatte es mehrere Nassauer Fürstenhäuser gegeben, die unterschiedlichen Strömungen des Protestantismus anhingen. Napoleon, der die europäische Landkarte durch seine Kriege umpflügte, schuf ein einiges Nassau und verschob dessen Grenzen mehrfach, so dass das mittlerweile zum Herzogtum aufgestiegene Nassau 1816 ein Flickenteppich aus Lutheranern, Reformierten und Katholiken war.

     

    In der Frühzeit der Reformation waren die Gräben zwischen den Anhängern der Reformatoren Luther einerseits und Calvin oder Zwingli andererseits tief. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sind sie flacher geworden, vor allem durch die Aufklärung. Das anstehende 300-Jahr-Jubiläum der Reformation 1817 hilft außerdem, weil sich die Protestanten in dieser Zeit an ihre gemeinsamen Wurzeln erinnern.

     

    Aber zunächst zögert der Herzog noch mit seinen Plänen. Denn auch Friedrich Wilhelm III. von Preußen will die protestantischen Kirchen seines Reichs einigen. Und der preußische König ist kein Mann, mit dem man es sich als kleiner Herzog verscherzen sollte, indem man dessen Ideen vorgreift.

     

     

    Preußen kommt nicht in die Gänge

     

    Als aber die preußische Verwaltung nicht in die Gänge kommt, beruft der nassauische Herzog dann doch für August 1817 eine Synode in Idstein ein. Im Pädagogium des Städtchens im Taunus kommen am 5. August 38 Abgeordnete der protestantischen Gemeinden Nassaus zusammen, 21 lutherische und 17 reformierte.

     

    „Der virulenteste Punkt auf dieser Synode war das Abendmahl”, erläutert Jörg Bickelhaupt vom Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Der Knackpunkt: Für Lutheraner sind Brot und Wein tatsächlich Leib und Blut Christi, für die Reformierten sind beides nur Symbole. Die Lutheraner essen Oblaten, die Reformierten Brot, das der Pfarrer nach Jesu Vorbild bricht.

     

     

    Das „Unionsbrot”

     

    Die Nassauer umschiffen die Uneinigkeit, indem sie ein „Unionsbrot” erfinden: Sie kleben ausgestochene Brotscheiben auf Oblaten. Das Unionsedikt schreibt vor, dass diese Hostien „bei der Darreichung an die Kommunikanten gebrochen” werden müssen. „Die Reformierten legten daraufhin das Unionsbrot häufig so, dass die Oblatenseite nach unten zeigte”, schildert der Mainzer Kirchenhistoriker Reiner Braun. „Bei den Lutheranern war es oft umgekehrt.” Den Gemeinden stand aber auch frei, weiter entweder Oblaten oder Brot zu verwenden.

     

    Aber die Union ist keine Liebeshochzeit. Über andere dogmatische oder liturgische Punkte sprechen die Synodalen 1817 erst gar nicht. Sie einigen sich auf das Apostolische Glaubensbekenntnis und das Augsburger Bekenntnis von 1530 als bestimmende Glaubensbezeugungen. „Das Apostolicum ist das zentrale Glaubensbekenntnis der westlichen Christenheit”, erklärt Bickelhaupt, „und das Augsburger Bekenntnis stellt den weitesten innerprotestantischen Kompromiss dar. Obwohl ein lutherisches Bekenntnis, konnten auch Reformierte dem zustimmen”.

     

    Bickelhaupt benennt aber auch die größte Schwäche der Nassauischen Union: „Es war eine Union von oben.” Regierungspräsident Ibell führt den Vorsitz der Synode, ein Gutteil des Unionsedikts fließt aus seiner Feder. Die Synodalen nicken nur ab.

     

     

    Erster „Landesbischof” in Deutschland

     

    Am 11. August 1817 unterzeichnet Herzog Wilhelm das Edikt. „Es sind zwei in unserem Herzogtum mit völlig gleichen verfassungsmäßigen Rechten bisher rezipierte protestantische Landeskirchen zu einer einzigen vereinigt, welche den Namen der Evangelisch-christlichen führt”, steht im ersten Paragrafen der Urkunde. Alle Pfarreien bleiben zunächst unverändert erhalten, auch die beiden Superintendenten, der Lutheraner Georg Müller und der Reformierte Friedrich Gieße, bleiben im Amt. Nach Gießes Tod 1827 wird Müller der erste, der in Deutschland den Titel „Landesbischof” trägt.

     

    Damit ist die Nassauische Union die erste Vereinigung von Protestanten in einem deutschen Flächenstaat. Die vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. angeordnete Kirchenunion von Lutheranern und Reformierten folgte erst am 27. September. Zwar hatte es schon zuvor Vereinigungen gegeben, aber das waren entweder reine Verwaltungsunionen ohne gemeinsames Bekenntnis wie in Bayern 1806 oder nur regionale Zusammenschlüsse wie in Mainz 1802 oder im Saarland 1817.

     

     

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